Da wir familiären Bezug zu Berlin haben, steht ein Besuch der Hauptstadt eigentlich jedes Jahr auf unserem Reiseplan. Dieses Mal hatten wir uns dabei vorgenommen, die mal mehr und mal weniger bekannten Lost Places fotografisch abzuklappern. Ganz klar, die Mehrzahl der verlassenen Orte Berlins sind längst entdeckt, erkundet und abgelichtet. Jetzt, während der Corona-Krise, hatten wir die Orte jedoch meist für uns alleine und konnten komplett eintauchen in die faszinierende Welt des Urban Exploring. Sieben der spannendsten Lost Places, die wir im Mai 2020 auf dem Berliner Stadtgebiet besucht haben, stelle ich dir in diesem Beitrag vor.

1. Ehemalige Raststätte und Zollamt Dreilinden

Die frühere Raststätte und das Zollamt Dreilinden liegt in West-Berlin an der Autobahn 115 am Rande des Ortsteils Berlin-Wannsee. Die Anlage wurde in den 50er Jahren vor dem damaligen Grenzübergang in die ehemalige DDR als Kontrollpunkt für den Transitverkehr errichtet. Zu ihr gehören drei Gebäude, das Zollamt, eine Tankstelle und das Gebäude der Raststätte. Unzählige Male sind wir bereits an den auffälligen roten Bauten vorbei gefahren, bis wir in diesem Jahr dort einfach mal von der Autobahn abgefahren sind und das Gelände näher betrachtet haben.

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Fotos: Daniel Haeker

Nichts und niemand hindert uns beim Fotografieren des verfallenen Komplexes. Das Gras sprießt freudig zwischen den Straßenbetonplatten hervor, denn bereits seit 1969 gibt es hier weder Sprit noch Kaffee.

2. Ehemalige Abhörstation auf dem Teufelsberg

Inzwischen zu einem der bekannteren Lost Places in Berlin mutiert sind die weißen Kuppeln, eine Abhörstation der Alliierten, auf dem Teufelsberg im Ortsteil Grunewald. Hier, auf der mit 120 Metern zweithöchsten Erhebung des Stadtgebietes, in den 60er Jahren zu Zeiten des Kalten Krieges errichtet, spionierten Amerikaner und Briten den damaligen Ostblock aus. Dafür drehten sich in den fünf Radome mehrere Satellitenschüsseln, die den Funkverkehr der ehemaligen DDR und UDSSR abfingen.

Etwa 1500 Leute arbeiteten bis 1989 auf dem Areal. 1992 verließen die Alliierten die Station dann endgültig, seither verfällt das Gelände. Diebstahl und Vandalismus zerstörten die noch vorhandenen Anlagen und Einrichtungen vollständig.

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Heute kümmert sich der Verein Initiative Kultur-DENK-MAL Berliner Teufelsberg um die Überreste der Gebäude, auf denen inzwischen auch eine der größten Graffiti-Galerien Europas entstanden ist. Seitdem ist das Gelände jedoch nur noch im Rahmen einer Führung (15€ Eintritt) oder stillen Begehung (5€ Eintritt) zu betreten.

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Wir machen an einem frühen Vormittag auf eigene Faust eine stille Begehung und sind überrascht, wieviel wir auf dem riesigen Gelände sehen, betreten und erkunden dürfen. Leider ist der Zugang zur Aussichtsplattform der Radome inzwischen wegen Baufälligkeit gesperrt. Dennoch lohnt sich ein Besuch des Areals sehr!

Öffnungszeiten: Mittwoch-Samstag 11Uhr bis Sonnenuntergang.

3. Stillgelegte Siemensbahn

Die Siemensbahn ist der Name einer S-Bahnstrecke im Berliner Ortsteil Siemensstadt, die vom Bahnhof Jungfernheide über viereinhalb Kilometer bis zu ihrem Endbahnhof Gartenfeld verläuft. Diese Strecke ließ die Firma Siemens ab 1927 in Eigenregie und fast komplett auf eigene Kosten bauen, um ihren Mitarbeitern den Weg zum am Stadtrand gelegenen Hauptwerk zu erleichtern. Ab 1929 nutzten etwa 17.000 Menschen täglich die S-Bahn Siemensstadt, die zu Spitzenzeiten im 2-Minuten-Takt mit 12 Wagen verkehrte. Nach dem zweiten Weltkrieg verlegte Siemens seinen Hauptsitz jedoch nach München. Seitdem nutzten nur noch wenige Fahrgäste die Bahn. So kam es, dass im September 1980 die Strecke eingestellt wurde. Übrig blieben vier Geisterbahnhöfe und verrottende Schienen, die wir in diesem Jahr erstmalig erkundeten. Ein guter Einstieg dafür ist der Bahnhof Wernerwerk am Siemensdamm Ecke Wohlrabedamm.

Ein Mann beobachtet uns hier beim Fotografieren und gibt uns den Tipp, dass man hinter dem Popitzweg, wo die S-Bahn-Strecke auf einem Erdwall verläuft, auf die Gleise klettern kann. Das lassen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen, finden eine Aufstiegsstelle und folgen von dort den von Moos, Pflanzen und Bäumen bewachsenen Gleisen bis zum Bahnhof Siemensstadt. Den hat sich die Natur ebenfalls ausführlich zurück erobert. Ein Lost Place der allerbesten Sorte!

Aber Achtung: Siemens hat angekündigt, bis zu 600 Millionen Euro in den alten Standort zu investieren und einen Campus für Forschung, Produktion und Wohnen zu bauen, sollte für eine gute Anbindung gesorgt werden. Womöglich wird die alte S-Bahn-Strecke also bis zum Jahr 2030 reaktiviert.

4. Ehemaliger Flughafen Tempelhof

Der alte West-Berliner Flughafen Tempelhof im gleichnamigen Ortsteil war bis zu seiner Schließung im Oktober 2008 einer von drei internationalen Verkehrsflughäfen in Berlin. Im Jahr 1923 eröffnet, wurde der Flughafen vor allem berühmt durch die Berliner Luftbrücke, die in den Jahren 1948/49 während der Blockade West-Berlins zwischen verschiedenen Westdeutschen Städten und Berlin bestand, um den lebensnotwendigen Transport von Verpflegung und Gütern für die West-Berliner Bevölkerung zu sichern.

Inzwischen sind das neoklassizistische Hauptgebäude des Flughafens mit seinen Empfangs- und Verwaltungsgebäuden, die sieben angrenzenden Hangars sowie die 60 Flugzeugabstellpositionen längst verlassen. Führungen (Normalpreis 15€) durch das unter Denkmalschutz stehende Gebäude sind jedoch möglich. Wir begnügen uns heute allerdings mit einem selbstständigen Rundgang um das Gebäude, um ein paar Eindrücke fotografisch festzuhalten.

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5. Verlassener Plattenbau Haus der Statistik

Weiter geht’s in Ost-Berlin. Hier fallen uns zum wiederholten Male die völlig maroden, seit etwa 10 Jahren leerstehenden Plattenbauten an der Otto-Braun-Straße hinter dem Alexanderplatz ins Auge. Vor allem das „Haus der Statistik“ ist ein echter Schandfleck.

Konnte man bis vor wenigen Jahren die Gebäude noch betreten und erkunden, ist hier jetzt jedoch ringsherum alles versperrt. Es tut sich sogar etwas: Im Modellprojekt Haus der Statistik engagiert sich eine Gruppe von KünstlerInnen, ArchitektInnen, Kulturschaffenden und PolitikerInnen dafür, das Gebäude zu erhalten und in gemeinwohlorientierter Entwicklung einen Raum für Kunst, Kultur, Soziales und Bildung, bezahlbares Wohnen, sowie ein neues Rathaus für Mitte und Verwaltungsnutzung zu schaffen. Für diesen bald vielleicht nicht mehr ganz so verlassenen Lost Place müsst ihr also schnell sein!

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6. Ehemaliger Freizeitpark Spreepark

Der im Jahr 2002 geschlossene Spreepark Plänterwald in Berlin Treptow gehört inzwischen ebenfalls zu den bekannteren Lost Places der Hauptstadt. Zu DDR-Zeiten im Oktober 1969 eröffnet, war er der einzige ständig geöffnete Rummelplatz in Ost-Deutschland, in dem neben zahlreichen Fahrgeschäften auch Konzerte, Tanzveranstaltungen und Kinderunterhaltung stattfanden. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der Park kostenintensiv umgebaut und mit einer Schiffsschaukel, einer Achterbahn, einer Loopingbahn sowie einer Wildwasserbahn ausgestattet. Doch die Besucher blieben, vermutlich wegen fehlender Parkplätze, aus und der Spreepark meldete Insolvenz an.

Gerne hätten wir diesen spannenden, sehr fotogenen Ort besucht. Leider wurden während der Corona-Krise bis zum 1. Juni aber keine Führungen (Kosten 5€) angeboten. Daher mussten wir uns mit einem Spaziergang um das vollständig sicher umzäunte Gelände begnügen, um ein paar Einblicke zu bekommen.

7. Alte Irakische Botschaft

In einem Plattenbau der 70er Jahre befand sich in der Tschaikowskistraße in Berlin Pankow zwischen 1974 und 1991 im traditionellen Diplomatenquartier der DDR die Irakische Botschaft. Als die irakischen Diplomaten nach der Wiedervereinigung 1991 ausreisten, ließen sie alles stehen und liegen: Faxgeräte, Personalakten, Tonbänder, Visa-Anträge – ein gruseliger Ort, den wir natürlich sehen müssen!

Obwohl der Zutritt offiziell verboten ist, finden wir hinter dem Grundstück ein Loch im Zaun und bahnen uns durch völlig verwildertes Grün einen Weg zum Gebäude. Leider stellen wir dann etwas enttäuscht fest, dass man die Innenräume der Botschaft nicht mehr betreten kann. Nach Plünderungen und Vandalismus sowie einem Brand im Jahr 2003 hat man das Gebäude komplett mit Brettern verrammelt. So bleibt uns nur der Blick von außen.

Kennst du noch andere verlassene Orte in Berlin?
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar! Deine Julia

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