Nach unserem Aufenthalt in Kroatien, Serbien, Tschechien und der Slowakei im Sommer 2022 verbringen wir am Ende der Sommerferien mit Samu noch zwei Wochen im Baltikum. Die dazugehörigen Länder Litauen, Lettland und Estland sind bisher weiße Flecke auf unserer Europa-Landkarte, die wir gerne mit Erlebnissen und Bildern füllen wollen. Uns reizen vor allem die Natur, die erhofften Offroad-Fahrmöglichkeiten sowie Überreste sowjetischer Bauwerke und Kultur in den drei ehemaligen Sowjet-Republiken. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine rechnen wir außerdem in diesem Sommer mit deutlich weniger Touristen im Baltikum, was uns bei Erkundungen und beim Fotografieren natürlich entgegen kommt. In diesem Beitrag verrate ich dir nun unsere persönlichen 12 Highlights für einen Roadtrip durchs Baltikum mit Reisetipps zu Entfernungen, Straßenverhältnissen, Nationalparks, Stellplätzen und Unterkünften sowie ganz besonderen Orten entlang unserer Route. Bitte einsteigen und anschnallen!

1. Kaunas in Litauen – Die Europäische Kulturhauptstadt 2022

Auf dem Landweg über Polen erreichen wir Litauen über den nur 100 Kilometer langen Grenzstreifen, der den kleinen, zwischen Weißrussland und der russischen Exklave Kaliningrad liegenden Staat mit der EU verbindet. Lediglich eine zweispurige Landstraße führt über den einen der momentan zwei verbliebenen offenen Grenzposten zwischen Polen und Litauen bei Kalvarija. Vor allem auch der LKW-Verkehr auf dieser Strecke Richtung Kaunas ist erheblich, und wir kommen nur sehr langsam voran. Wir werden an der Grenze als EU-Bürger nicht kontrolliert, uns wird aber eine Stunde Zeit geklaut durch die Zeitumstellung: Litauen liegt unserer Zeit um eine Stunde voraus (UTC+3), sodass wir Kaunas, die zweitgrößte Stadt Litauens, erst gegen Nachmittag erreichen.

Wir haben uns ganz bewusst für den Besuch Kaunas‘ und damit gegen den Besuch der litauischen Hauptstadt Vilnius entschieden, da Kaunas einerseits Europäische Kulturhauptstadt 2022 ist, andererseits direkt auf unserer Route liegt und außerdem noch etwas unbekannter ist als Vilnius. Und wer meinen Blog regelmäßig liest, weiß ja bereits, dass wir immer gerne abseits der ausgetretenen Pfade unterwegs sind.

Wir parken Samu kostenlos auf dem Parkplatz Funikulierius, von dem uns die Standseilbahn Aleksoto direkt hinunter in die Altstadt bringt. Da wir hungrig sind, kehren wir zunächst auf der Terrasse des gemütlichen Cafés „Al cantuccio“ zu Kaffee, Kuchen und frisch gepresstem Orangensaft ein, bevor wir entlang der Fußgängerzone die Stadt erkunden. Gebäude im Bauhausstil säumen die Boulevards. Diese stammen aus der Zeit, als Kaunas einmal von 1920-1940 provisorische Hauptstadt Litauens war. Die historische Altstadt ist das Herz von Kaunas. Wir schlendern über gepflasterte Straßen und Plätze, vorbei an pittoresken Bauten wie dem Präsidentenpalast und dem von einem reichen Kaufmann im 16. Jahrhundert erbaute Perkunas-Haus. Rund um den Rathausplatz liegen die schönsten Gebäude. Jetzt, im Sommer, laden hier kleine Cafés und Restaurants zum Essen ein. Das weiße Rathaus mit seinem 53 Meter hohen Turm und der Barockfassade gilt als eines der Highlights der Stadt und trägt den Beinamen „Der Schwan von Kaunas“. Am östlichen Ende der belebten Fußgängerzone liegt die imposante katholische Kirche des Erzengels Michael. Hier beenden wir unseren Stadt-Spaziergang und kehren im nahegelegenen hippen Restaurant DIA zum vorzüglichen Abendessen ein. Was für ein gelungener erster Tag im Baltikum!

Stellplatz: Wilder Stellplatz in einem Landschaftsschutzgebiet bei Viduklé (1 Nacht).

2. Die Halbinsel Kurische Nehrung – Die Hohe Düne von Nida

Nach einer ruhigen Nacht im Wald fahren wir 130 Kilometer Richtung Westen in die Hafenstadt Kleipeda. Nach einem kurzen Rundgang durch die Stadt und einem guten Frühstück im Café „Namaibe Gliuteno“ setzen wir mit der Autofähre (Hin- und Rückfahrt 18€) in wenigen Minuten auf die vorgelagerte Halbinsel Kurische Nehrung über. Die nördlichen 54 Kilometer der Halbinsel gehören zu Litauen, die südlichen 46 Kilometer zur russischen Oblast Kaliningrad. Vier Kilometer vor der Grenze liegt das kleine Örtchen Nida, zu dem eine Dünenlandschaft mit der zweithöchsten Düne Europas gehört, die sogenannte Hohe Düne, die wir besuchen wollen. Es führt nur eine einzige Straße über die Halbinsel, Nida liegt ganz am Ende davon. Wir lassen uns Zeit für die Strecke und fahren hier und da an einem Parkplatz raus, um einen Blick auf die Ostsee zu werfen. Am frühen Abend erreichen wir Nida. Wir verbringen die Nacht auf dem ortseigenen Campingplatz, um am Morgen in aller Frühe die Dünen besuchen zu können. Der Plan geht auf und wir haben die reizvolle Landschaft komplett für uns alleine, welch ein Glück!

Stellplatz: Campingplatz Nidos Kempingas in Nida (1 Nacht).
Anmerkung: Die Kurische Nehrung wird durch einen Nationalpark geschützt. Der Eintritt kostet 30€ pro Fahrzeug, den man kurz nach der Fähr-Ankunft in Smiltyne an einer Mautstelle entrichten muss.

3. Die Sowjetbunker von Liepaja – Ruinen aus Lettlands Vergangenheit

Zurück auf dem Festland in Kleipeda folgen wir der Küstenautobahn A13 Richtung Norden. Sehr bald, nach nur 50 Kilometern, verlassen wir Litauen und reisen nach Lettland ein. Hier ist die Hafenstadt Liepaja unser erstes Ziel. Denn die drittgrößte Stadt des Landes hat eines unserer Lieblings-Themen auf Reisen zu bieten: Lost Places in Form von grauen Beton-Kolossen am Strand, Überreste einer sowjetischen Bunkeranlage der russischen Ostseeflotte. Diese findest du an verschiedenen Strand-Abschnitten. Wo genau und was Liepaja sonst noch zu bieten hat, erzähle ich im gesonderten Beitrag Die Sowjetbunker von Liepaja.

Stellplatz: Wilder Stellplatz auf dem ehemaligen Militärgelände von Karosta (1 Nacht).

4. Der Ventas Rumba in Kuldiga – Der breiteste Wasserfall Europas

Hinter Liepaja verlassen wir die Küste und fahren 85 Kilometer landeinwärts ins beschauliche Örtchen Kuldiga. Der authentische 12.000 Seelen-Ort mit einer hübschen Altstadt hat nämlich etwas ganz Besonderes zu bieten: Den mit 249 Metern breitesten Wasserfall Europas, den Ventas Rumba! Damit ist aber auch schon Schluss mit den Superlativen, denn bei einer Fallhöhe von nur zwei Metern ist der Ventas Rumba eher ein Wasserfällchen und nicht sonderlich spektakulär anzuschauen. Dennoch mögen wir das Flair dieses Ortes: Familien baden unterhalb des Wasserfalls, es gibt ein paar gute Cafés und Restaurants, und die Altstadt mit ihren bröckelnden Fassaden ist ebenfalls äußerst sehenswert. Wir spazieren gemütlich umher, fotografieren hier und da eine der Jahrhunderte alten Fassaden und kehren dann zu einem vorzüglichen Mittagessen ins Restaurant „Bongert´s“ ein – sehr zu empfehlen!

5. Das Kap Kolka in Lettland – Treffpunkt zweier Meere

Am Nachmittag fahren wir gestärkt weitere 135 Kilometer bis zum Kap Kolka, dem nördlichsten Punkt der Halbinsel Kurland, an dem die offene Ostsee und die Bucht von Riga zusammentreffen. Die Besonderheit dieses Kaps ist seine exponierte Lage, wegen der man sowohl den Sonnenaufgang als auch den Sonnenuntergang im Meer beobachten kann. Wir machen es uns mit Samu bereits gegen Nachmittag auf dem Parkplatz Kolkasrags gemütlich, um hier auch die Nacht zu verbringen, was gegen Zahlung einer Gebühr von 8€ im angrenzenden Shop problemlos möglich ist. Der Strandzugang ist nur wenige Minuten fußläufig, und so erleben wir hier einen geradezu kitschigen Sonnenuntergang am feinsandigen Strand. Die Landschaft rund um das Kap ist aber auch einfach unglaublich malerisch und für mich einer der schönsten Orte auf unserem gesamten Baltikum-Roadtrip.

Der Wecker klingelt früh um 4.45Uhr, denn bereits um 5.18Uhr klettert die Sonne wieder am Horizont empor. Wir genießen ein weiteres Spektakel, dieses Mal ganz ohne Kameras. Danach legen wir uns müde aber glücklich noch einmal eine Runde schlafen, bevor wir am Mittag weiter in die lettische Hauptstadt Riga fahren wollen.

Stellplatz: Parkplatz Kolkasrags (1 Nacht). Am Strand werden auch ein paar wenige Hütten vermietet.

6. Party-Metropole Riga – Unser Besuch der Haupstadt Lettlands

Etwa 170 Kilometer sind es vom Kap Kolka in die lettische Hauptstadt Riga. Wir haben uns für zwei Nächte in ein Hotel eingebucht, um die Sehenswürdigkeiten der Stadt in Ruhe erkunden zu können. Das mit der Ruhe war jedoch am Wochenende etwas schwierig, denn wir hatten das Gefühl, dass ganz Riga dann von partywütigen Touristen aus dem Umland überrannt wird. Durch die hübschen Gassen der Altsadt, in der wir die bunten mittelalterlichen Fassaden der Bibliothek, des berühmten Schwarzhäupterhauses, des Don oder der Drei Brüder bewundern wollen, schallt laute Musik, und alle paar Minuten fahren Bierbikes mit angetrunkenen Männern an uns vorbei. Insgesamt gefällt uns die Atmosphäre nicht, und wir ziehen uns zum Shoppen in das Einkaufszentrum Galerija zurück, bevor wir am Abend im DOM Restaurant ein großartiges Abendessen genießen.

Am zweiten Tag schlendern wir eine Runde durch das angeblich sehr aufstrebende, hippe und kreative Kalnciema-Quartier. Die Holzhäuser sind zum Teil ganz sehenswert, doch den angekündigten Farmer´s Market gibt es an diesem Wochenende wohl nicht, eine weitere Enttäuschung unseres Besuchs in Riga, das wir am Sonntag Morgen zügig wieder verlassen.

Quartier: Hotel Bellevue Park Hotel (2 Nächte). Wir haben das Hotel wegen des großen, kostenlosen Parkplatzes für Samu gebucht, würden es insgesamt aber nicht empfehlen.

7. Die Sietiniezis im Gaujas Nationalpark – Spektakuläre weiße Sandsteinfelsen

Nach unserem kurzen Aufenthalt in der Zivilisation freuen wir uns sehr, zurück in der Natur zu sein. Der Gaujas Nationalpark im Nordosten Lettlands ist der größte Nationalpark des Baltikums. Hier kannst du wandern, Radfahren, im Kajak auf der Gauja paddeln oder ausreiten. Wir wollen heute auf einer Wanderung die weißen Sandsteinfelsen der Sietiniezis (deutsch: Teufelsferse) erkunden. Dafür parken wir Samu auf einem nahegelegenen Parkplatz und schnüren die Wanderschuhe. Ein Rundweg führt uns zunächst oberhalb der Felsen durch den endlos grünen Wald, um uns dann über Holztreppen und -stege direkt zwischen den spektakulären Felsen und dem Fluss Gauja zurück zu führen. Wir sind absolut begeistert von den weißen Sandsteinfelsen und der wunderschönen Landschaft und schwingen glücklich die Kamera.

Stellplatz: Die Nacht verbringen wir auf einem wilden Stellplatz an einem See in der Nähe (1 Nacht) inklusive eines umwerfenden Farbspektakels beim Sonnenuntergang.

8. Die Grenzstadt Narwa – Ein Ort zwischen Russland und Estland

Am kommenden Vormittag überqueren wir die Grenze zu Estland, dem nördlichsten der drei baltischen Staaten. Das Wetter ist über Nacht umgeschwungen, und es regnet die gesamte Fahrt wie aus Eimern. Das ändert sich auch nicht nach der Ankunft an unserem heutigen Ziel, der Grenzstadt Narwa ganz im Nordosten Estlands, wo nur der Fluss Narva die Grenze der Europäischen Union von Russland trennt. Auf beiden Seiten des Flusses stehen sich jeweils zwei mächtige Festungen gegenüber, die Hermannfeste in Estland und die Burg Ivangorod auf russischer Seite. Wir besteigen die dicken Mauern der estnischen Burg und werfen einen Blick hinüber nach Russland, den neuen alten Feind. 95% der Bevölkerung Narwas sind Russen. Sie sind in Russland geboren und haben russische Pässe, haben sich aber nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für ein Leben im Westen entschieden. Doch immer noch denken, fühlen und sprechen sie in der Stadt russisch. Und so wundert es auch nicht, dass im Innenhof der Burg die einzig im Baltikum verbliebene Lenin-Statue steht.

Für uns ist es ein merkwürdiges Gefühl hier zu sein, durch die Straßen zu laufen, die Schaufenster mit kyrillischer Schrift und lauter Autos mit russischen Kennzeichen zu sehen. Wir fragen uns, was die Menschen hier wohl vom Krieg in der Ukraine halten?! Wir werden es nicht erfahren.

Zum Mittagessen kehren wir nach unserem Spaziergang durch Narwa im Burglokal Restoran Rondeel ein. Auf der Karte stehen wahrscheinlich typisch russische Gerichte, die Kellnerin spricht kein Englisch. Wir zeigen wahllos auf zwei Suppen und zwei Hauptgerichte und lassen uns überraschen. Auch nach dem Servieren des Essens bleiben die Speisen optisch undefiniert, es schmeckt aber alles sehr gut.

Wir werden freundliche verabschiedet und fahren 15 Kilometer weiter nach Narwa-Joesuu, den an der Küste am finnischen Meerbusen liegenden Kurort. Während eines kurzen Strandspaziergangs sehen wir viele verlassene Hotels und Holzhäuser, der Ort hat definitiv einmal bessere Zeiten erlebt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte er sich zum bevorzugten Kurort der gehobenen St. Petersburger und Moskauer Gesellschaft, und es entstanden zahlreiche Pensionen, Sommerhäuser und Freizeiteinrichtungen. Zu dieser Zeit wurde Narva-Joesuu mit seinem 8 Kilometer langen Sandstrand auch als „Riviera des Nordens“ bezeichnet. Nach der Wiedererlangung der estnischen Unabhängigkeit und der Einführung der Visumspflicht für russische Staatsangehörige ging Anfang der 1990er Jahre der Tourismus stark zurück, und es bleibt nur eine seltsam melancholische Atmosphäre. Uns faszinieren solche morbiden Orte ja immer sehr, und wir schwingen begeistert die Kameras.

Stellplatz: Camping Männisalu in Toila (1 Nacht).

9. Offroad-Tour zum Saka Beach – Strandtag an der Ostsee

Bis auf ein paar Schotterstraßen sind wir hinsichtlich der Offroad-Fahrerlebnisse bisher im Baltikum nicht so richtig auf unsere Kosten gekommen. In Litauen und Lettland ist das Fahren auf den Strand nämlich untersagt. Hier in Estland ist das anders, und wir wollen heute mit Samu, auch weil das Wetter wieder sonnig ist, eine Tour zu einem etwas abgelegeneren Strand, dem Saka Beach, unternehmen. Die Anfahrt über ein paar Schlaglochpisten und eine enge, steile, ausgewaschene Zufahrt durch einen Wald macht Spaß, und dann liegt wirklich ein einsamer Traumstrand vor uns. Wir fahren ein ganzes Stück über den Sand bis zu einem besonders schönen Platz, wo wir den Tag mit Sonnenbaden verbringen. Über Stunden kommt lediglich eine Wanderin an uns vorbei, sonst haben wir den Strand komplett für uns alleine. Traumhaft!

Da es am Nachmittag windiger wird, beschließen wir, doch nicht über Nacht am Strand zu bleiben, sondern uns einen geschützteren Stellplatz zu suchen. Daher brechen wir am frühen Abend von unserem Traumstrand auf und fahren noch weiter in den 110 Kilometer entfernten Laheema Nationalpark, den wir am Folgetag besuchen wollen.

Stellplatz: Lahemaa Camping (1 Nacht).

10. Das Viru-Hochmoor im Lahemaa Nationalpark – 6km Lehrpfad-Wanderung

Der Lahemaa Nationalpark ist ein durch Wald- und Moorlandschaft geprägtes Naturschutzgebiet im Norden Estlands. Bereits die Anfahrt durch dichten Nadelwald gefällt uns, und auch die Lage des Campingplatzes zwischen Strand und Wald mit Blick aufs Wasser ist fantastisch! Heute Vormittag wollen wir nun das Viru-Hochmoor (Viru raba) besuchen, welches durch einen perfekt ausgebauten Holzbohlenpfad zugänglich gemacht wurde. Der gesamte Rundweg durch die farbenfrohe, ganz besondere Sumpf-Landschaft ist etwa 6 Kilometer lang. Wir benötigen ungefähr 2 Stunden dafür. Unterwegs laden Infotafeln, Ruhebänke und ein Aussichtsturm zum Verweilen ein. An einer Stelle ist sogar eine kleine Badestelle im Moor eingerichtet. Wir genießen die Wanderung sehr auf der rechts und links des Bohlenwegs Moorpflanzen, ehemalige Sanddünen, Gräser und Heidewälder vorgestellt werden. Besonders faszinieren mich aber diese Farben!

Am Nachmittag fahren wir dann noch weiter ins 70 Kilometer entfernte Tallinn.

11. Estlands Hauptstadt Tallinn – Pittoreske Altstadt und Kulinarik

Die estnischen Hauptstadt Tallinn gefällt uns sehr viel besser als Riga. Bereits der erste Blick in der Oberstadt von der Aussichtsplattform Kohtuotsa auf die bunten Häuser der Altstadt bis zum Meer ist zauberhaft. Hier beginnen wir unseren Rundgang vorbei am Parlament und der Alexander Nevski Kathedrale, der uns dann weiter führt in das Kalamaja Viertel. Das älteste Viertel Tallinns hat sich vom einstigen Fischerdorf in eine moderne Wohngegend für Kreative, Künstler und Familien verwandelt. In den über 30 hübschen Cafés, Restaurants und Bars treffen sich die Einheimischen, abseits des Touristen-Rummels der Altstadt. Solche Ecken einer Stadt lieben wir ja sehr! Wir schlendern durch das Viertel und besichtigen auch das Patarei-Gefängnis, eine halb verfallene Seefestung mit bewegter Geschichte: Einst wurden hier russische Soldaten stationiert, dann nutzten es die Nazis als Arbeits- und Konzentrationslager, ab 1945 war es dann ein Militärgefängnis der Sowjets, und seit einigen Jahren hat sich das Gemäuer zur Partylocation etabliert. Nicht weit entfernt, ebenfalls direkt an der Ostsee, liegt ein weiterer Lost Place, die Linnahall, ein brutalistischer Betonbau, der für die Olympischen Sommerspiele 1980 fertiggestellt wurde. Damals fanden die Segelwettbewerbe in Tallinn statt. Begeistert laufen wir über das Dach der Mehrzweckhalle, von dem aus man sowohl einen wunderbaren Ausblick auf die Ostsee als auch auf Tallinns Altstadt hat.

Sightseeing im Sommer macht durstig, und wir kehren für einen Café und kalte Getränke ins Art Café ein, bevor wir unseren Rundgang durch die hübschen Gassen der Altstadt und auch über den bekannten Rathausplatz fortsetzen.

Gegen 18Uhr kehren wir ins hippe und sehr zu empfehlende Restaurant Rataskaevu 16 ein, wo wir den Abend in Tallinn ausklingen lassen.

Quartier: Hotel Kreutzwald (2 Nächte).

12. Der Berg der Kreuze – Eine Pilgerstätte in Litauen

Nach fast zwei Wochen im Baltikum machen wir uns von Tallinn aus auf ziemlich direktem Weg Richtung Süden, zurück nach Litauen auf. Hier wartet zum Abschluss unseres Roadtrips noch ein ganz besonderer Ort auf uns, den wir unbedingt besuchen wollen. Eigentlich ist es nur ein neun Meter hoher Hügel in der Nähe der Ortschaft Siauliai, doch dieser Hügel ist überzogen von einem einzigartigen Meer aus Kreuzen.

Keiner erinnert sich mehr so genau daran, wann und weshalb alles begann, erzählt uns Mikhail, den wir am Kreuzhügel treffen, doch irgendwie zog der heilige Berg schon immer gläubige Menschen an, die Kruzifixe, Gebetstöcke und Betsäulen, Skulpturen von Heiligen sowie Rosenkränze auf den Hügel trugen. Während der sowjetischen Besatzung versuchten die Machthaber den Kreuzhügel zu vernichten. Sie verbrannten die hölzernen Kreuze, die eisernen wurden zum Schrott gebracht und die Stein- und Betonkruzifixe wurden zerschlagen, vergraben oder im Bach versenkt. Doch immer wieder kamen Pilger hierher und stellten neue Kreuze auf. Inzwischen sind es weit über einhunderttausend, berichtet er weiter.

Staunend wandeln wir zwischen den vielen Kreuzen um und über den Berg und fotografieren die ganz besondere Szenerie. Irgendwie hat es für uns etwas Schauriges, der Hügel macht den Eindruck eines riesigen Grabes. Doch das ist er nie gewesen, stattdessen ein Ort des Dankes und der Hoffnung, zu dem Gläubige aus aller Welt kommen, um zu beten und Kreuze anzubringen. Wirklich eindrucksvoll! Noch ausführlicher berichte ich dir von unserem Besuch im gesonderten Artikel Der Berg der Kreuze – Ein Must See in Litauen.

Stellplatz: Wir übernachten auf dem öffentlichen Parkplatz direkt beim Kreuzhügel (1 Nacht).
Tipp: Der Besuch lohnt sich vor allem im Morgen- oder Abendlicht!

Fazit:

Wenn ich ehrlich bin, hatten wir von den drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland nicht so viel Spannendes erwartet. Reizvolle Natur, ja, aber niemals, dass es dermaßen abwechslungsreich werden würde! Zusammen mit der Sowjet-Vergangenheit ist das ein toller, interessanter Mix, den es sich sehr zu entdecken lohnt! Immer wieder bin ich überrascht beim Anschauen der zahlreichen Fotos, die ich im Baltikum gemacht habe, wie viel wir in den zwei Wochen Roadtrip erlebt und gesehen haben. Ein ganz großartiger Abschluss unseres Reise-Sommers 2022!

Wissenswertes:

Reisezeitraum? 25. Juli – 6. August 2022

Route? Kaunas – Kleipeda – Kurische Nehrung NP – Liepaja – Kuldiga – Kap Kolka – Riga – Gaujas NP – Narwa – Toila – Lahemaa NP – Tallinn – Hill of Crosses

Stellplätze/Quartiere? Die Hotels in Riga und Tallinn, in denen wir übernachtet haben, habe ich kurzfristig über das Portal booking.com gebucht. Alle Stellplätze/Campingplätze sind wir spontan angefahren. Oft suchen wir über die App park4night.

Maut-Gebühren? Im Baltikum gibt es derzeit keine Maut.

Gesamtkosten? Inklusive Sprit, Unterkünften, Campingplätzen, Verpflegung und Eintrittsgebühren haben wir auf diesem Roadtrip etwa 1800 € für zwei Personen ausgegeben.

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