An verschiedensten Stränden Europas liegen graue Kolosse aus der Vergangenheit, Bunker und Forts, wie die von Hitlers Atlantikwall in Dänemark oder Frankreich. Auch in den baltischen Staaten gibt es solche Orte, geschaffen und erbaut von den ehemaligen sowjetischen Besatzern. Als Freunde solcher Lost Places haben wir während unseres Baltikum-Roadtrips im Sommer 2022 natürlich immer Ausschau danach gehalten. In Lettland, im Norden der Stadt Liepaja wurden wir fündig, und wie!
Als wir Liepaja an einem Nachmittag Ende Juli erreichen ist es zwar regnerisch und stürmisch, die dunklen Wolken und die tosende, wilde Ostsee passen jedoch hervorragend zur düsteren Stimmung dieses Ortes, und wir schwingen direkt begeistert unsere Kameras.


Die Hafenstadt Liepaja liegt im Westen Lettlands an der Ostsee. Mit ihren gut 76.500 Einwohnern ist sie die drittgrößte Stadt des Landes. Der Stadtteil Karosta (von lettisch „kara osta“ = Kriegshafen) war der ursprüngliche Stützpunkt der Russischen Ostseeflotte. Er entstand 1890 auf Geheiß von Zar Alexander dem III. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildete Kara-Osta einen eigenen russischen Militärstadtteil, der aus Gründen der Sicherheit nicht auf sowjetischem Kartenmaterial verzeichnet war und der mit dem restlichen Stadtgebiet von Liepaja keinen Austausch hatte.





Am langen Sandstrand des heutigen Liepajas liegen an drei verschiedenen Punkten die Überreste der 1893-1906 errichteten Bunkeranlage. Sie sind sogar auf Google Maps eingezeichnet und nummeriert. No. 3 ist der südlichste Standort, No. 2 liegt in der Mitte und mit No. 1 ist die nördlichste Stelle verzeichnet, an der du Bunker findest.





Wir besuchen am Nachmittag des ersten Tages unseres Aufenthalts in Liepaja Anlage No. 3 und No. 2. Am Morgen des zweiten Tages, bei deutlich besserem, sogar zum Teil sonnigem Wetter, steuern wir Anlage No. 1 an und sind wieder absolut begeistert und fasziniert von der sehr fotogenen Szenerie.





Hier treffen wir auch ein paar Letten, die einen Betriebsausflug zu den Bunkern unternehmen. Wir kommen mit ihnen ins Gespräch und sie fragen uns, ob uns aufgefallen sei, welch´ schlechte Qualität der Beton habe, aus dem die Bunker gebaut worden sind. „Es sind eben russische Bauten“ sagt der eine und lacht aus vollem Hals, um dann hinzuzufügen, dass die deutschen Bunker des Atlantikwalls wohl nicht so zusammengefallen am Strand liegen. Ein für uns selbstverständlich zweifelhaftes Kompliment. Dennoch, wir schreiben den Sommer 2022, der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist in vollem Gange, und überall im Baltikum erleben wir tiefste Abscheu gegenüber allem Russischen.
Übrigens wurde die Bunkeranlage bereits 1914 schon wieder aufgegeben und wird seitdem von den Wellen abgetragen. Und die Hauptbasis der Russischen Ostseeflotte wurde mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1989 aufgelöst. 26.000 sowjetische Soldaten mit ihren 30 Atom-U-Booten und 140 Kriegsschiffen mussten Liepaja verlassen. Seitdem ist ganz Karosta ein verwahrloster Stadtteil.
Wissenswertes:
→ Reisezeitraum? 27.-28. Juli 2022
→ Anreise? Entweder mit dem eigenen Pkw auf dem Landweg über Polen und Litauen oder mit der Fähre von Travemünde aus. Stena Line bietet eine Direktverbindung nach Liepaja an.
→ Stellplatz/Quartier? Liepaja hat einige gute Hotels in der Innenstadt und auch den gut bewerteten Campingplatz BB Camping. Wir haben hier allerdings frei gestanden auf dem riesigen ehemaligen Militärgelände von Karosta. Außer zahlreichen Mücken und Bremsen hat uns niemand gestört.

→ Restaurant-Empfehlung? Bei unserer Ankunft in Liepaja hatten wir im italienischen Restaurant „Bel Cibo“ eine sehr gute Pizza.
→ Zufahrt und Parken? Zu jedem der drei Bunker-Standorte führen Schotterstraßen, die auch für einen normalen Pkw kein Problem darstellen. Am Ende der Pisten liegt dann jeweils ein kleiner Parkplatz. In Lettland ist es verboten, auf den Strand zu fahren!
→ weitere Sehenswürdigkeiten in Liepaja? Wir haben neben dem Besuch der Bunker auch eine kleine Spazierrunde durch die ganz hübsche Innenstadt von Liepaja gedreht. Es lohnt sich, einen Blick auf den orthodoxen Dom St. Nikolaus zu werfen. Auch die drehbare Eisenbrücke Kalpaka ist sehenswert. Abends treffen sich Gäste wie Einheimische für den Sonnenuntergang auf dem zwei Kilometer langen Nord-Pier, von dem man auch einen guten Blick auf den Hafen hat. Spannend klingt außerdem ein Besuch im Gefängnis von Karosta, welches man besichtigen kann, in dem man aber auch übernachten und in der Kantine nach sowjetischer Art speisen kann. Architektonisch besonders fanden wir außerdem das nagelneue Konzerthaus „Great Amber“, welches wie ein leuchtender Bernstein mitten in der Stadt liegt.
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