Nachdem wir auf der Varangerhalvøya am östlichsten Punkt Norwegens bereits russische Seeluft geschnuppert haben, wollen wir es nun wissen und sehen, wie es an der harten Landgrenze zwischen Norwegen und Russland aussieht. Immerhin teilen sich die beiden Staaten 198 Kilometer Grenzlinie, eine der am besten bewachten Grenzen Europas.

Multikulti in Kirkenes

Ein guter Ausgangspunkt für eine Expedition entlang der norwegisch-russischen Grenze ist die norwegische Kleinstadt Kirkenes, die unweit des einzigen Grenzübergangs Skorskog liegt. In der 3400 Seelen-Gemeinde am Ufer der Barentsee leben auch zehn Prozent Russen. Die Straßenschilder sind zweisprachig. Das riesige Werbebanner am Einkaufszentrum am Hafen auch. Bis zu den Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der Krim kamen 260.000 russische Tagestouristen jährliche zum visumsfreien Einkaufen. Als wir jetzt durch die kleine Fußgängerzone laufen, wirkt Kirkenes wie ausgestorben.

Am Hafen türmt sich Fischereibedarf auf. Die russische Fischereiflotte ist der wichtigste Kunde der ortsansässigen Werft Kimek. Doch der Austausch mit Russland wird in der aktuellen geopolitischen Situation – Norwegen ist schließlich Mitglied der NATO – immer schwieriger.

Ein Hurtigruten-Schiff liegt vor Anker. Normalerweise ist Kirkenes der Wendepunkt der Route der berühmten norwegischen Postschiffe, doch wegen Corona liegt das Kreuzfahrt-Business derzeit auf Eis. Das Leben am Rande der Arktis scheint nicht einfach zu sein.

Vom Hurtigrutenkai schlendern wir vorbei am Stollen Andersgrotta, der im zweiten Weltkrieg als Luftschutzbunker von Kirkenes gedient hat, zurück in die Innenstadt. Das erste Restaurant, welches wir uns zum Abendessen ausgeguckt hatten, gibt es nicht mehr. Doch dann verbringen wir doch noch einen leckeren Abend im Surf & Turf Restaurant. Sehr zu empfehlen!

Der Grenzübergang Skorskog

Am nächsten Morgen brechen wir aus Kirkenes auf zur Grenzstation Skorskog, die nur 15 Kilometer entfernt liegt. Die gut ausgebaute Europastraße 105 führt direkt dorthin. Gähnende Leere. Herrschte hier einst reger Betrieb im Rahmen des „kleinen Grenzverkehrs“, der durch eine Sonderregelung für die Grenzbewohner beiderseits ermöglicht wurde, treffen wir heute kein einziges Fahrzeug an. Zusätzlich zu den ohnehin strengen Sanktionen gegenüber Russland hat die Corona-Pandemie den Grenzverkehr gänzlich zum Erliegen gebracht.

In aller Seelenruhe schießt Daniel ein Foto von Samu und mir vor dem Schild, welches die Grenze zwischen Norwegen und Russland ankündigt. Und ein bisschen wehmütig blicken wir auf den Hinweis, dass es von hier noch 213 Kilometer bis ins russische Murmansk sind. Wie genial wäre es, unseren Roadtrip hier einfach fortsetzen zu können, durch Russland bis in die Mongolei, wie wir es schon lange vorhaben…aber das bleibt wohl vorerst ein Traum.

Grense Jakobselv: Schon wieder ein Ende der Welt

Stattdessen biegen wir kurz vor dem Grenzübergang links ab. Wenn wir die Grenze schon nicht überqueren können, wollen wir ihr zumindest ein wenig folgen. Noch abenteuerliche 50 Kilometer sind es bis zu unserem nächsten Ziel, der Grense Jakobselv am Eismeer, wobei man die letzten Kilometer auf dieser Strecke genau an der Grenze zu Russland entlang fährt.

Doch zunächst führt die schmale, geteerte Straße mal wieder durch spektakuläre, felsige Fjelllandschaft, vorbei an zahlreichen Seen, auf und ab, mit vielen Bodenwellen, bis wir die ersten Grenzpfosten entdecken. Die gelben Pfosten mit schwarzer Spitze markieren dabei den Verlauf der Grenze auf norwegischer Seite, rot-grün gestreifte Pfosten den Grenzverlauf der Russen. Dazwischen verläuft ein Fluss. Mehrere Schilder bieten mehrsprachig Infos sowie Hinweise zum Verhalten innerhalb der Grenzregion. So dürfen zum Beispiel nur Einheimische im Grenzfluss angeln. Das Übertreten der Grenze wird hart bestraft!

Die letzten 10 Kilometer der Strecke geht die geteerte Straße in eine ruckelige Schotterpiste über. Endlich ein wenig Offroad, freue ich mich, und steuere Samu mit Leichtigkeit über die vielen Schlaglöcher hinweg, bis ich plötzlich in die Eisen steige. In einer Hütte am Straßenrand sitzen zwei Soldaten am Lagerfeuer. „Müssen wir uns hier etwa registrieren?“, schießt es mir durch den Kopf. Aber nein, die beiden winken uns freundlich durch, und nur wenige Minuten später erreichen wir den Stellplatz Grense Jabobselv direkt an der wilden Barentsee.

Ein paar rote Fischerhütten, Mülleimer, Toilette, Picknickbänke und ein traumhafter Sandstrand, was für ein ganz besonderer Ort! Mutige können sich hier in die eiskalten Fluten stürzen, wir unternehmen einen kleinen Erkundungsspaziergang und fotografieren die tolle Szenerie.

Die König-Oskar-II.-Kapelle

Auf dem Rückweg halten wir dann noch kurz an der Kapelle von Grense Jakobselv. Da es um den genauen Grenzverlauf immer wieder Streitigkeiten gab, schlug ein norwegischer Marinesoldat vor, an dieser Stelle als Grenzmarkierung und Zeichen des Friedens eine Kapelle zu bauen. Sie wurde 1869 geweiht und 1873, nach dem Besuch König Oskars II., nach diesem benannt.

Wir besuchen auch den angrenzenden Friedhof, schlendern an den Gräbern vorbei und entdecken russische, norwegische, finnische und samische Namen, die auf die bewegte Geschichte dieses Ortes hinweisen: Ursprünglich wohnten hier die Samen, ab 1851 norwegische Siedler. 1920 wurde der Ort finnisch. Im zweiten Weltkrieg waren Deutsche Truppen in Grense Jakobselv stationiert, bis er im Oktober 1944 von der Roten Armee eingenommen wurde. Doch nur das Gebiet östlich des Flusses wurde der Sowjetunion eingegliedert, Grense Jakobselv blieb norwegisch. Und wir treten zufrieden den Rückweg nach Kirkenes an.

Wissenswertes:

Reisezeitraum? 12.-13. August 2020

Ideale Aufenthaltsdauer? Ein Tag für Sightseeing in Kirkenes und ein Tag für die Tour zur Grenze reichen vollkommen aus. Bei schönem Wetter kann man mit dem Camper auch gut noch eine Nacht in Grense Jakobselv verbringen.

Anreise? Nach Kirkenes kann man auch bequem fliegen (Flughafencode KKN).

Mietwagen? Die üblichen Mietwagen-Anbieter (z.B. Avis) findet ihr direkt am Flughafen-Terminal.

Wohnen? Wir haben im Thon Hotel Kirkenes übernachtet. Zimmer mit Meerblick und Frühstück – sehr zu empfehlen!

Unbedingt probieren? Königskrabben, die speziell hier in der Gegend zwischen Murmansk und Kirkenes gefangen werden.

Teile diesen Beitrag auf Pinterest