Für viele Norwegen-Reisende ist das Nordkap End- und Umkehrpunkt ihres Roadtrips. Wir haben noch etwas Zeit übrig und wollen nach einer ruppigen Nacht am nördlichsten Zipfel Kontinentaleuropas Richtung Osten weiterfahren. Auf dem Campingplatz Krogstadtunet bekamen wir von Besitzerin Ingrid den Tipp, auch unbedingt die Varangerhalvøya mitzunehmen, eine der abgelegensten Regionen Norwegens, die nur von wenigen Touristen bereist wird. So etwas lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen!
In diesem Beitrag nehme ich dich nun mit in zerklüftete Mondlandschaft am Eismeer bis zum östlichsten Punkt Norwegens, der Insel Vardø, sowie zu vielen weiteren Highlights, die wir auf der Varangerhalvøya erlebt haben. Bitte einsteigen:
Die Norwegische Landschaftsroute Varanger
Die Europastraße 75, die von Varangerbotn 160 Kilometer immer der Küste folgend bis nach Hamningberg verläuft, zählt zu den insgesamt 18 als landschaftlich besonders reizvoll ausgewiesenen Strecken in Norwegen. Sie ist das Herzstück unserer Tour ans Ende der Welt, wie die Halbinsel Varanger auch gerne bezeichnet wird. Die Straße führt vorbei an Birkenwäldern, Moorlandschaften, traumhaften Sandstränden und durch kleine Ortschaften, und ist durch ihre geographische Lage an der wilden Barentsee die wohl exotischste aller Landschaftsrouten. Besonders beeindruckt haben uns die letzten 40 Kilometer, als die Straße plötzlich nur noch einspurig wird und wir Samu durch spitze, zerklüftete Felslandschaft lenken. Wir kommen uns vor wie auf einem anderen Planeten und müssen immer wieder anhalten, um diese sehr fotogene Szenerie festzuhalten.




Das verlassene Fischerdorf Hamningberg
Gute drei Stunden benötigen wir bis zum Ziel- und Endpunkt der Varanger-Halbinsel, dem Fischerdorf Hamningberg. Das Dorf mit seinen Holzhütten aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg und einigen russischen Blockhäusern aus dem 19. Jahrhundert ist typisch für die Finnmark. Die Häuser sind sehr gut erhalten. Rund herum haben sich außerdem inzwischen einige Norweger Sommerhäuser gebaut, sodass das Dorf weitaus weniger verlassen ist, als gedacht. Alles ist sehr ordentlich und aufgeräumt, weit entfernt von einer gespenstischen Lost-Place-Atmosphäre, die wir uns insgeheim hier erhofft hatten. Wir fanden das Dorf daher eher ein bisschen langweilig, weshalb wir beschließen, zügig den Rückweg anzutreten, um noch einige andere Orte entlang der Strecke anzusteuern.

Der östlichste Punkt Norwegens, die Insel Vardø
Durch einen Unterwasser-Straßentunnel unter dem Eismeer erreichen wir gegen Mittag den Fischerort Vardø. Östlichster Punkt Norwegens. Nur wenige Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Wir parken direkt im Zentrum und laufen ein wenig durch die fast verlassen wirkenden Straßen. Reisebusse, Camper oder andere Touristen – Fehlanzeige! Nur wir und die faszinierende Streetart, die in der ganzen Stadt zu finden ist, um die tristen norwegischen Wintermonate etwas bunter zu machen. Doch auch die täuscht nicht darüber hinweg, dass immer mehr der 2100 Einwohner den Ort, der überwiegend vom Fischfang lebt, verlassen. Von den einst 15 Fischfabriken haben nur eine Handvoll überlebt. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Wir laufen an zahlreichen leerstehenden Häusern, Ladenlokalen und Fabriken vorbei, und mehr als einmal haben wir das Gefühl, doch schon in Russland zu sein, absolut faszinierend! Auch dieser Ort gehört zum reichen norwegischen Staat, kaum zu glauben!












Um uns ein wenig aufzuwärmen und etwas zu essen, kehren wir bei ABC Thai ein. Ein Thai-Restaurant, hier?! Zugegeben, wir waren auch etwas skeptisch, aber das köstliche Essen der beiden Thai-Inhaberinnen versetzt uns für einen Moment in völlig andere Breiten – verrückt!
Doch nur kurze Zeit später hat uns der eiskalte, schneidende Wind wieder, der von der Barentsee weht. Wir fahren noch die drei echten Sehenswürdigkeiten Vardøs an: Die Festung von Vardø, das Steilneset Memorial, eine Gedenkstätte für insgesamt 91 der Hexerei angeklagte und auf dem Scheiterhaufen verbrannte Opfer, sowie die Skulptur Drakkar.

Dort stehen wir auf der Düne mit Blick auf Vardø, hören den tosenden Wellen der Barentsee zu und lassen uns den Wind um die Nase wehen. Was für ein unwirklicher, bemerkenswerter Ort!
Das Schiffswrack der Inger-Ann
Zurück auf dem Festland fällt uns direkt hinter dem Tunnel auf der rechten Seite ein senkrecht in den Boden gerammter Bus auf. „Ist das Kunst oder kann das weg?“ lautet unser Standartspruch für solch merkwürdige Skulpturen.

Noch spannender als der Bus ist jedoch ein Lost Place in der dahinter liegenden kleinen Steinbucht, das Schiffswrack der Inger-Ann, die hier 2016 auf Grund gelaufen ist. Begeistert schwingen wir unsere Kameras!




Birding auf der Insel Vadsøya
Die Varangerhalvøya gehört zu den 100 besten Vogelbeobachtungsgebieten weltweit. Nirgendwo anders ist es so einfach, dem regen arktischen Vogelleben nahe zu sein. An mehreren Orten, wie in Vestre Jakobselv, Ekkerøya, Hornøya, Barvika sowie auf Vadsøya wurden dafür extra hölzerne Beobachtungsposten errichtet, die Schutz vor Wind und Wetter bieten. Wir verbringen die Nacht auf dem Parkplatz des Vadsø Fjordhotells und erleben am Abend eine richtige Sinfonie aus Vogellauten, darunter auch Fischadler und Weißkopfseeadler.
Tipp: Auf einer kleinen Felsinsel vor der Küste Vardøs soll es sogar eine Kolonie Papageientaucher geben, die man während eines Boottrips von Vardø aus erleben kann. Leider habe ich das erst im Nachhinein unserer Reise gelesen, sonst hätten wir uns danach sicher genauer erkundigt.
Wandern im Varangerhalvøya Nationalpark
Weitere Wildtiere, wie Rentiere, Elche und Polarfüchse lassen sich während einer Wanderung durch die arktische Hochfjelllandschaft des Nationalparks der Varanger Halbinsel beobachten. Der im Jahr 2006 gegründete Nationalpark bietet nahezu unberührte Landschaft mit Ablagerungen und Geländeformen, die seit der letzten Eiszeit bestehen. Eine besonders schöne Wanderung sind die 9 Kilometer in das Nattfjelldalen, die an einem spektakulären Wasserfall enden.
Tipp: Im Tourenguide Outtt findest du viele weitere lohnende Wanderungen auf der Varangerhalvøya.
Die Kirche von Nesseby
Wie überall in Nord-Norwegen begegnet uns auch auf der Varangerhalvøya unsere deutsche Vergangenheit, denn auch hier fielen die meisten Gebäude im Zweiten Weltkrieg der Taktik der verbrannten Erde durch die deutschen Truppen zum Opfer. Wie ein Wunder blieb die 1858 errichtete Kirche von Nesseby davon verschont. Heute ist sie eine bekannte Landmarke in der offenen, weiten, rauen Küstenlandschaft von Varanger.

Wissenswertes:
→ Reisezeitraum? 10.-12. August 2020
→ Ideale Aufenthaltsdauer? Im Nachhinein betrachtet würde ich sagen, dass 2 Tage definitiv zu kurz waren! Ich würde beim nächsten Mal mindestens 3-4 Nächte auf der Varangerhalvøya einplanen.
→ Anreise? Wer nicht die ganze Strecke dort hoch mit dem Auto fahren möchte, kann auch bequem fliegen. Flughäfen gibt es in Vardø (Flughafencode VAW) und Vadsø (VDS).
→ Mietwagen? Da wir mit dem eigenen PKW unterwegs waren, kann ich dazu nichts sagen.
→ Wohnen? Wir haben eine der beiden Nächte auf der Varangerhalvøya im Lille Chili in Vestre Jakobselv verbracht, einem einfachen, aber sehr hübschen, sauberen B&B eines Deutschen Auswanderers. Sehr zu empfehlen!
→ Unbedingt probieren? Das nördlichste Thai-Food der Welt, sowohl im Lille Chili als auch im ABC Thai in Vardø.
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13. Oktober 2020 at 14:58
Liebe Julia,
mein Mann und ich sind tatsächlich auch nur bis zum Nordkapp gekommen, nicht weiter. Norwegen hat uns sehr fasziniert! Diese spektakuläre Landschaft, das Licht und die Einsamkeit. Vielleicht komme ich noch mal hin und reise dann viel weiter.
Herzliche Grüße
Renate
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13. Oktober 2020 at 16:14
Liebe Renate,
dann wünsche ich dir sehr, dass du diesen Teil von Norwegen irgendwann auch noch kennenlernst 🙂
Viele Grüße, Julia
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13. Oktober 2020 at 15:29
Hallo Julia,
was für ein bildgewaltiger Beitrag. Wir planen für nächstes Jahr im Juni eine Norwegen Reise und werden uns diesen Ort definitiv mit auf die Liste setzen! Mal sehen, ob wir das zeitlich schaffen.. wir haben ca. 3 Wochen in Norwegen und noch keine feste Route. Was meinst du?
Liebe Grüße
Jasmin
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13. Oktober 2020 at 16:23
Hi Jasmin,
wenn ihr „nur“ 3 Wochen Zeit habt, dann würde ich mir nicht ganz Norwegen vornehmen. Das Land ist ziemlich lang, das vergisst man oft. Außerdem kommt man mit maximal 80-90km/h nur relativ langsam voran. Ich würde mir also nie mehr als 200-300km am Tag vornehmen. Sprich, wenn ihr die Varangerhalvøya mitnehmen wollt, würde ich mich vielleicht insgesamt auf die Finnmark (Nord-Osten des Landes) konzentrieren. Sprich der Osten an der Grenze zu Russland, Nordkapp und eventuell noch Lofoten und/oder Vesterålen. Landschaftlich finde ich das eh die spannendste Ecke. Aber das ist Geschmacksache. Im Süden ist es auch schön, mir aber viel zu touristisch (Sprichwort Instagram-Highlights wie der Preikestolen oder die Trolltunga). Wie gesagt, alles schafft man eh nicht.
Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen für eure Planung. Schau´gerne auch noch bei meinen anderen Norwegen-Beiträgen vorbei 🙂
Liebe Grüße, Julia
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13. Oktober 2020 at 15:30
Wow, das ist ja mal ein toller Tipp! Ich war bestimmt nicht das letzte Mal in Norwegen, daher wird dieser Beitrag direkt mal abgespeichert (und die Papageivogel-Beobachtung werde ich auch noch mal genauer studieren!)
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13. Oktober 2020 at 16:23
Danke, liebe Sabine!
Ja, da habe ich mich im Nachhinein echt geärgert, dass ich davon nicht früher gelesen habe…
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