Wie ihr längst wisst, sind wir große Freunde verlassener, vergessener, aufgegebener Orte, sogenannter Lost Places. Im reichen Norwegen hatten wir jedoch eher nicht damit gerechnet, so richtig fündig zu werden. Doch vor allem im nördlicheren Teil des Landes, in der Region Finnmark, in der die Landflucht deutlich zu spüren ist, entdeckten wir viele verlassene Wohnhäuser, heruntergekommene Scheunen und Hütten, Schiffswracks und sogar Hotelruinen. So auch auf den letzten 130 Kilometern vor dem Nordkap. Meistens konnten wir die Gebäude jedoch nicht betreten, weil sie entweder zuverlässig mit Brettern verrammelt sind oder so einsturzgefährdet, dass es einfach zu gefährlich wäre.
Anders sah das bei einer Industrieanlage aus, die uns an der Provinzstraße 84, am Ortseingang von Sjøvegan in der Provinz Troms og Finnmark direkt am traumhaften Salangen-Fjord, ins Auge fiel, einem aufgegebenen Betonwerk.

Wie immer an solchen Orten erkunden wir erst einmal die Umgebung des Gebäudes, machen ein paar Fotos und checken so die Lage: Ist das Werk tatsächlich verlassen oder arbeitet hier doch noch jemand? Ist das Gebäude intakt oder besteht die Gefahr, von herabstürzenden Gegenständen getroffen zu werden? Und, gibt es offene Türen oder zerbrochene Fenster, durch die man ins Gebäudeinnere einsteigen kann?
Die Luft scheint rein zu sein, und während Daniel noch mit der Fassade des Zementsilos fotografisch beschäftigt ist, wage ich die ersten Schritte ins Innere des Werks. Feuchter, modriger Geruch steigt mir in die Nase, und meine Augen brauchen einen kurzen Moment, um sich vom grellen Sonnenlicht draußen an die Dunkelheit hier drin zu gewöhnen. Mein Puls schlägt schneller vor Aufregung, denn noch immer, auch nach so vielen solcher Aktionen auf Reisen in den vergangenen Jahren, bleibt bei mir die latente Angst, doch von jemandem oder etwas überrascht zu werden, was mich zu Tode erschrecken könnte.



Diese Sorge weicht jedoch meistens schnell der Begeisterung: Neben rostigen, zerstörten Einrichtungsgegenständen, die herumliegen, sehen Silo und Förderband nämlich so aus, als seien sie mitten während der Produktion ein für alle Mal abgeschaltet worden. Kiesvorrat liegt bereit und das Gummiförderband ist vollkommen intakt. Nur im Holzboden klaffen dicke Löcher, die auf direktem Weg in den eiskalten Fjord führen. „Watch your step!“, ermahne ich mich wiederholt.




Nachdem ich im Inneren des Betonwerks alles Interessante abgelichtet habe, begebe ich mich zurück in die wärmende Sonne und laufe über den stabil genug wirkenden Betonsteg hinaus auf den Fjord. Herabhängende Befestigungsseile flattern im Wind, und das rostige, baufällige Geländer knarzt. Trotz der traumhaften Umgebung ist mir unheimlich zumute, und wir treten nach etwa einer Stunde den Rückzug an. Was für ein großartiger Lost Place!


Kennst du weitere lohnende Lost Places in Norwegen?
Hinterlasse mir gerne einen Kommentar! Deine Julia
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30. September 2020 at 13:21
Tolle Fotos sind euch da gelungen! Ich mag solche Orte ja auch sehr gern. Die Löcher im Fußboden allerdings wären mir nicht so recht geheuer – da muss man wirklich höllisch aufpassen.
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30. September 2020 at 14:41
Danke, liebe Cornelia!
Ja, man muss generell äußerst vorsichtig sein an solch´ morbiden Orten, das stimmt. Aber der Nervenkitzel hat eben auch etwas 😀
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30. September 2020 at 15:38
Wow, das sieht wirklich so spannend aus! Hier in Bosnien gibt es ja auch ganz viele Lost Places und ich mag den Nervenkitzel, so etwas zu erkunden echt gerne 😀
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30. September 2020 at 19:14
Dankeschön, Kathi 🙂
Ohja…Bosnien oder überhaupt der Balkan ist natürlich wahnsinnig toll was Lost Places angeht. Das haben wir auch schon erlebt…
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