Am dritten Tag in Dili beschließen wir, eine Tour in das bergige Hinterland der timoresischen Halbinsel zu machen. Das zentrale Bergland mit Höhen zwischen 500 und knapp 3000 Metern durchzieht nahezu die gesamte Insel. Da sich die Straßen außerhalb der Hauptstadt derzeit allerdings entweder im Bau oder in einem erbärmlichen Zustand befinden – zum Teil sind ganze Abschnitte von Schlammlawinen einfach fortgespült –, kommt man wohl nur sehr langsam voran.

Für 8.30 Uhr sind wir mit unserem Fahrer Charles verabredet, der uns bei unserer Unterkunft „Casa do Sandâlo“ in Dili abholt und uns dann über Aileu bis ins Bergdorf Maubisse im Landesinneren bringen wird.

Wir verlassen Dili

Bereits kurz hinter den Toren Dilis führt die Straße in Serpentinen steil bergauf, sodass wir schon nach wenigen Minuten Fahrt einen tollen Blick auf die gesamte Bucht und Ebene von Dili werfen können. Hier oben wachsen Obstbäume und viele exotische Pflanzen zwischen den Hütten, die die Menschen, wie in vielen ärmeren Ländern so auch hier, direkt entlang der Straße errichtet haben.

Unser erstes Ziel am heutigen Tag ist das „World War II Memorial“ in Dare. Als wir jedoch an der Tür des kleinen Museums klopfen, öffnet keiner und nirgends ist jemand zu finden. Aus der Ferne trägt der Wind Trommelklänge und Gesänge zu uns herüber, die sofort unsere Aufmerksamkeit erregen. Charles hat eine Idee, woher die Musik stammt, und weshalb auch hier im Museum keiner ist, und wir beschließen, das Museum Museum sein zu lassen und ein Stückchen weiter in den Wald hinein zu einer Kirche zu fahren.

Traditionelles Volksfest in der Igreja Katholika in Dare

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Nach wenigen Minuten befinden wir uns auf dem Kirchengelände mitten im buntem Treiben. Menschen in traditionellen Wickelröcken, die sowohl von Männern als auch von Frauen getragen werden, mit gewebten Tüchern (Tais), und den Kopf mit Federn (Manufulun) bzw. dem Kaibuk, der timoresischen Krone geschmückt, tanzen zu den rhythmischen Klängen eines kleinen Orchesters. Darum herum sitzt und steht einheimisches Publikum und schaut den Tanzenden zu. Ein faszinierendes und spannendes Schauspiel, diese uns total unbekannten Tänze und Rhythmen.

Daniel schwingt begeistert die Kamera und unsere Ankunft bleibt natürlich nicht lange unbemerkt. Ein paar junge Männer kommen neugierig auf mich zu und fragen mich in brüchigem Englisch nach meiner Herkunft und was ich hier mache. Als sie herausfinden, dass Daniel und ich ein Paar sind, sind sie sichtlich enttäuscht 😀 Viele Westler scheinen sich nicht hierher zu verirren – was für ein Erlebnis!

Wild Timor Coffee – Kaffeeproduktion im Hochland Osttimors

Nach diesem ersten Höhepunkt der Tour heißt es erst einmal wieder Kilometer machen, denn besonders weit gekommen sind wir seit Dili noch nicht. Charles lenkt seinen kleinen Jeep gekonnt über alle Hindernisse, aber mich macht das Rumsitzen auf der Rückbank müde – bin ich doch in Australien solche Pisten selber gefahren…

Etwa eine Stunde später biegt Charles endlich ab, fährt einen Abhang hinab, und wir erreichen den kleinen Hof einer Familie, die hier besondere, weiße Kaffeebohnen anbaut – angeblich (natürlich) den besten Kaffee der Welt! Wir schauen uns die Bohnen an und bekommen einen Teil der traditionellen Produktion vorgeführt, sowie selbstverständlich auch eine Tasse zum Probieren – wirklich nicht schlecht!

Projeto Montanha in Aileu

Unsere Mittagspause mit Lunch verbringen wir im kleinen Örtchen Aileu in der wunderschönen Anlage des Projeto Montanha. Diese Einrichtung ist eine Non-Governmental-Organization (NGO), die sich mit Kursen und Stipendien um Kinder, Jugendliche und Familien der Region kümmert. So haben sie nicht nur die erste Zahnklinik der Region eröffnet, sondern bieten außerdem Kochkurse, Musikunterricht, Handwerkskurse u.v.m. Es gibt einen kleinen Shop und ein Restaurant, sowie ein Guesthouse mit zwei Zimmern, und die Einnahmen daraus kommen komplett den Kindern zugute. Das gefällt uns, und wir bestellen großzügig Essen und Getränke von der allerdings übersichtlichen Speisekarte. Aus den umliegenden Zimmern dringen Klavier-, Flöten- und Schlagzeugklänge und aus dem Lautsprecher Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Da sitzen wir also mitten in Osttimor bei klassischer Musik – was für eine unerwartete Überraschung!

Markt und Pousada in Maubisse

Am Nachmittag erreichen wir Maubisse. Es ist erstaunlich kühl und wolkig hier oben auf 1500 Metern Höhe. Die Menschen tragen Hoodies und lange Hosen, hier und da brennt ein Feuer im staubigen Eingang ihrer Häuser. Die Gipfel der Berge liegen zum Teil in Nebel und Wolken. Noch über 100 m² Nebelwald, den immergrünen Regenwaldtyp, der in den Höhenlagen von tropischen Gebirgen auftritt, verfügt diese Region Osttimors.

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Nebelwald um die Ortschaft Maubisse.

Zunächst besuchen wir eine Pousada (Herberge) aus der portugiesischen Kolonialzeit, die auf den Grundmauern einer portugiesischen Festung errichtet worden ist. Sie liegt auf einer Anhöhe, und man hat einen grandiosen Rundblick auf die umliegenden Berge.

Danach gehen wir auf den Markt des Ortes. Gebrauchte Kleidung, Gemüse, Obst und lebende Tiere, v.a. Geflügel werden hier feilgeboten. Zum ersten Mal in Osttimor habe ich das Gefühl, dass die Menschen sehr arm sind und sehr weit weg vom Wirtschaftszentrum in Dili.

Traditionelle Häuser in Lekitehi

Nur wenige Minuten Fahrt weiter entlang der Hauptstraße befindet sich auf der rechten Seite das Dorf Lekitehi, wo wir einige traditionelle Rundhütten sehen und besichtigen können. Das dicke, konische, mit Gras gedeckte Dach eines solchen Hauses steht auf hölzernen Stelzen. Unterhalb des Daches, von außen nicht sichtbar, führt eine Leiter auf eine geräumige Plattform, die als Wohnraum dient. Es ist dunkel und verraucht, da im Zentrum des Raumes die Herdstelle mit einem ständig schwelenden Feuer liegt. Geschlafen wird auf dem Boden.

Die Familie, die uns ihre Hütte zeigt, erlaubt uns sogar, einzutreten. Nachdem sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sehe ich Decken auf dem Boden und Essensvorräte auf zusätzlichen Plattformen im Dach – der vom Feuer aufsteigende Rauch hält Ungeziefer und Schädlinge ab – und es gibt sogar einige Fotos von Besuchern. Die Hütte wirkt warm und gemütlich. Ideal für die kühle Bergregion.

Wasserfall bei Railaco

Die 90 Kilometer zurück nach Dili fährt Charles eine andere Strecke als die, auf der wir in die Berge gefahren sind, um uns noch einen sehenswerten Wasserfall zu zeigen. Dafür fahren wir zunächst nach Aileu zurück und biegen dann etwa 10 Kilometer hinter dem Ort links Richtung Railaco ab. Die Straße befindet sich im Neubau, mehr als das Schotterbett besteht derzeit nicht, und die Fahrt wird zu einer reinen Staubpartie bergab. Kurz vor dem Örtchen Railaco kreuzt ein Fluss samt Wasserfall die Straße, dessen Pool von eingestaubten Moped- oder LKW-Fahrern gerne zum Waschen genutzt wird. Als wir für eine kurze Foto-Pause hier halten, haben wir den Ort aber zum Glück für uns alleine.

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Wasserfall bei Railaco.

Etwa eine Stunde später sind wir pünktlich zum Sonnenuntergang und viele wunderbare Reise-Erfahrungen reicher wieder zurück in Dili.

Wissenswertes:

Reisezeitraum? 15. August 2018

Touranbieter? Timor Adventures (www.timoradventures.com.au), ein kleines junges Unternehmen mit Sitz in Dili, die auch mehrtätige Touren durch Osttimor anbieten. Ihr Büro findet ihr im Hotel Esplanade auf der Avenida de Portugal. Wir sind bei ihnen an unserem ersten Tag in Dili einfach reinspaziert und haben die Tour für den übernächsten Tag gebucht. Längere Touren würde ich allerdings einige Wochen vorher anmelden, da sie bisher nur einige wenige Fahrzeuge besitzen.

Route? Dili – Dare – Aileu – Maubisse – Aileu – Railaco – Dili

Sicherheit? Trotz der zum Teil katastrophalen Straßenverhältnisse haben wir uns auf der Tour sehr wohl gefühlt. Charles ist ein zuverlässiger und sicherer Fahrer und erfahrener Guide, der zu jeder Zeit an unserer Seite war, Dinge erklärt hat, oder übersetzt hat – ideal und sehr zu empfehlen!

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