Ohne große Erwartungen wollen wir während unseres Roadtrips durch die Pyrenäen auch den souveränen Zwergstaat Andorra besuchen. Meine Vorab-Recherche nach Reiseblogs über das Land ist nicht besonders erfolgreich. Die wenigen Beiträge, die ich finde, zeichnen kein gutes Bild: Auf den winterlichen Skitourismus ausgelegte Hotel-Bettenburgen entlang der einzigen Landstraße, die durch Andorra führt, Shopping-Hölle dank zollfreiem Einkaufen sowie die enge, überfüllte Hauptstadt Andorra la Vella mit nur wenigen Sehenswürdigkeiten. Somit wusste ich dann zumindest schon einmal, wo wir uns nicht aufhalten würden! Ich wollte aber auch nicht glauben, dass das alles sein soll, was Andorra zu bieten hat. Also haben wir uns mit unserem 4×4-Camper Samurai auf die Suche nach den landschaftlich besonderen, abgelegenen Orten in Andorra gemacht und sind dafür richtig belohnt worden.

In diesem Beitrag stelle ich dir nun sieben Orte vor, die uns in Andorra begeistert haben. Einige davon sind ausschließlich mit einem offroad-tauglichen 4×4-Fahrzeug erreichbar, was ich eindeutig kennzeichne. Alle anderen kannst du auch mit einem normalen PKW oder Camper ansteuern.

1. Der Gebirgspass Port d´Envalira

Direkt bei der Einreise, aus Frankreich kommend, erleben wir ein richtiges Highlight Andorras, den mit 2407 Metern höchsten Straßen-Gebirgspass der Pyrenäen. Über 35 Kilometer zieht sich die Strecke mit einer durchschnittlichen Steigung von 5% durch zahlreiche Straßenkehren bis hoch zur Passhöhe. Immer wieder halten wir an, um die traumhaft grüne Berglandschaft fotografisch festzuhalten. Oben angekommen erwarten uns dann überraschender Weise keine Kühe, sondern Tankstellen. Ja, richtig, sogar gleich mehrere! Denn Andorra ist durch den weitgehenden Verzicht auf Zölle ein wahres Paradies für Autofahrer. Für nur 1,20€/Liter (Benzin E5) machen daher auch wir als erstes unseren 127-Liter-Tank voll. Danach parken wir Samu und unternehmen eine kleine Wanderung auf den Pic Blanc. Bis 1981 wurde auf dessen Gipfel auf 2650 Metern eine Radiostation betrieben. Diese verlassenen Gebäude von Sud Radio, einer 900 Kilowatt starken Sendeanlage für Mittelwelle, interessieren uns natürlich sehr. Aber auch der kilometerweite 360-Grad-Blick auf die umliegende Bergwelt ist schlichtweg atemberaubend! Was für ein Einstieg in den europäischen Zwergstaat Andorra!

Tipp: Die unbefestigte Schotterpiste auf den Pic Blanc lässt sich auch mit einem 4×4-Fahrzeug befahren. Wir haben uns fürs Wandern entschieden, um uns ein bisschen zu bewegen.

2. Mirador del Roc del Quer

Am Nachmittag fahren wir weiter nach Canillo. Denn hier führt 500 Meter über dem Ort ein spektakulärer Skywalk ins luftige Nichts. Der Mirador del Roc del Quer wurde 2016 eröffnet und gehört zu den beliebtesten Attraktionen in Andorra. Wo sich normalerweise Busse voller Touristen entladen und lange Schlangen bilden, herrscht während unseres Besuchs – wohl wegen Corona – gähnende Leere, und wir haben die bronzene Statue, die am Ende der gläsernen Aussichtsplattform sitzt, und den grandiosen Ausblick ganz für uns alleine.

Stellplatz: Campingplatz Santa Creu in Canillo (1 Nacht).

3. Das Vall del Madriu-Perafita-Claror

An unserem zweiten Vormittag in Andorra fahren wir nach Engolasters, um eine Wanderung in das hübsche Madriu-Tal zu unternehmen. In einer Kurve (Parkplatz Via Ferrada del Roc d´Esquers) geht der Wanderweg von der Straße ab. Der steile Pfad, der kontinuierlich bergauf führt, verläuft stets in unmittelbarer Nähe des Flüsschens und kann eigentlich nicht verfehlt werden. Wir passieren Wälder und Wiesen und erreichen nach etwa zwei Stunden die Alm des unbewirtschafteten Refugio Fontverd. Nach einer stärkenden Brotzeit beschließen wir den Rückweg anzutreten, da es am Nachmittag gewittern soll. Geübte Wanderer können von hier aus aber noch weiter laufen, z.B. zum Fuße des Col de Puymorens. Auch Rundwanderungen über zwei weitere Refugios sind möglich.

4. Das Dorf Ordino

Zurück bei Samu beschließen wir, ins Tal der Valira del Nord zum Dorf Ordino zu fahren. Ich hatte gelesen, dass Ordino einer der gemütlicheren, authentischeren Orte Andorras sein soll, in dem es keine großen Hotelbettenburgen gibt. Und in der Tat sind die alten, ursprünglichen Steinhäuser sowie die Kirche Sant Corneli et Sant Cebrià sehenswert. Wir lassen den Abend mit einem guten Restaurantbesuch in der Pizzeria Coll d´Ordino ausklingen.

Quartier: Hotel Sant Miquel (1 Nacht).

5. Das Skigebiet Ordino-Arcalis

Am Nachmittag des Folgetags fahren wir weiter, immer bergauf bis ans Ende des Tales der Valira del Nord, wo auf etwa 2000 Metern das Skigebiet Ordino-Arcalis beginnt. Nach 18Uhr hält dich keiner auf und du kannst im Sommer die gut ausgebaute Asphaltstraße bis zum Restaurant La Borda de la Coma (gute Küche!) mit einem Fahrzeug zurücklegen. Spektakulär ist dabei vor allem der Serpentinenabschnitt oberhalb der Kabinenbahn-Talstation Ordino-Arcalis. Eine wirklich tolle Strecke mit sehr fotogener Landschaft!

Wir wollen es wissen und fahren hinter dem Bergrestaurant noch eine kleine Schotterpiste weiter hinauf, die für alle 4×4-Fahrzeuge gut machbar ist. Bei drei kleinen Gewässern endet die Piste, und es gibt eine einigermaßen ebene Fläche zum Übernachten in grandioser Hochgebirgslandschaft. Am Abend zieht Nebel auf, die Temperatur fällt in der Nacht auf 3°C und wir freuen uns zum ersten Mal auf dieser Reise über unsere Standheizung! Dennoch, ein echtes Erlebnis.

Tipp: Wenn du nicht mit 4×4-Antrieb unterwegs bist, kannst du mit deinem Camper gut unterhalb des Bergrestaurants La Borda de la Coma auf einem großen Parkplatz über Nacht stehen.

6. Die Bergseen Estanys de Tristaina

Am nächsten Morgen fahren wir die Schotterpiste wieder hinab zum Bergrestaurant La Borda de la Coma, denn von hier beginnt eine Wanderung zum absoluten Juwel der Gegend, den drei Bergseen Estanys de Tristaina. Wir schnüren also unsere Wanderschuhe und machen uns auf den Weg, bevor andere Wanderer mit der Seilbahn hier oben ankommen. Die Wanderung ist relativ einfach und auch für weniger trainierte Wanderer geeignet, denn nach nur etwa 30 Minuten bergauf Laufens erreicht man schon den ersten See in traumhafter Lage. Die drei Seen können umrundet werden. Da uns jedoch noch die Tour im Madriu-Tal in den Knochen steckt, laufen wir nur zu zwei der drei Seen, bevor wir den Rückweg antreten und im Bergrestaurant La Borda de la Coma vorzüglich zu Mittag essen.

7. Der Schmugglerpfad Coll de Cabús – Tor – Alins

Nach vier wunderbaren Tagen in Andorra machen wir uns danach gut gestärkt auf den Weg nach Spanien. Natürlich nicht über eine normale Straße! Nein, wir wollen unseren Samu ein bisschen fordern und haben uns einen Klassiker der Offroad-Strecken in Andorra ausgesucht, den sogenannten Schmugglerpfad vom Coll de Cabús über das Bergdorf Tor nach Alins in Spanien. Dafür fahren wir über La Massana die gut asphaltierte Straße bis hinauf zum Coll de Cabús auf 2300 Meter, wo uns zunächst eine Pferdeherde überrascht. Wir steigen aus und schießen ein paar Fotos.

Auf der Passhöhe endet dann der Asphalt und unser Offroad-Abenteuer beginnt: 11 Kilometer Offroad-Strecke des Schwierigkeitsgrades 2. Die Piste mit vielen Auswaschungen und Schlaglöchern führt über zahlreiche Kehren fast ausschließlich bergab. Immer wieder halten wir und bestaunen das einmalig schöne alpine Panorama. Es begegnet uns eine weitere Pferdeherde, und nach etwa der Hälfte der Strecke gilt es eine kleine Furt zu überwinden, die jetzt im Sommer jedoch relativ wenig Wasser führt. Bei einem Abzweig über eine Brücke rechter Hand halten wir uns weiter geradeaus und fahren vorbei an schroffen Felsen nach Tor. Die alten Steinhäuser des Dorfes wirken gepflegt, aber fast alle unbewohnt. Vor der Gaststätte sitzen jedoch ein paar Leute. Von hier an haben wir auch wieder Asphalt unter den Reifen und eine einspurige, kurvenreiche Straße führt uns bis nach Alins, dem Endpunkt der Route. Was für eine tolle Tour!

Fazit:

Andorra hat uns überrascht, positiv! Lässt man die größeren, touristischen Orte im Tal links liegen, kann man nämlich tatsächlich noch viel Ursprüngliches des ehemals landwirtschaftlich geprägten Bergstaates erleben. Und zur grandiosen Berglandschaft muss ich nach den Fotos ja wahrscheinlich eh nichts mehr sagen. Große Empfehlung also für einen Sommer-Roadtrip!

Wissenswertes:

Reisezeitraum? 6.-9. Juli 2021
→ Route?
Port d´Envalira – Canillo – Engolasters – Ordino – Ordino-Arcalis – Estanys de Tristaina – Coll de Cabús – Tor – Alins

Stellplätze/Quartiere? Sowohl den Campingplatz als auch den wilden Stellplatz und das Hotel sind wir spontan angefahren, ohne vorab zu reservieren.

Sprache? Die Amtssprache in Andorra ist Katalanisch. Da in den Schulen jedoch auf Spanisch und Französisch unterrichtet wird und die Zuwanderung aus den beiden Ländern hoch ist, spricht fast jeder im Land auch diese beiden Sprachen.

Währung? Obwohl Andorra nicht zur EU gehört, wird mit dem Euro bezahlt.

Mautgebühren? Es gibt keine Maut in Andorra.

Kosten? Andorra ist durch den weitgehenden Verzicht auf Zölle ein sehr günstiges Reiseland. Nahrungsmittel, Kleidung oder Benzin kosten etwa 1/3 weniger als in den angrenzenden EU-Ländern Frankreich und Spanien.

Pinne diesen Beitrag auf Pinterest