Wie ihr wisst, mögen wir auf unseren Reisen die unverstellten Einblicke in das Leben der Einheimischen. Daher begeben wir uns in Ecuador zu Fuß auf eine Etappe des Quilotoa-Loops von Isinlivi nach Chugchilán. Auf dem 12 ½ Kilometer langen Trek tauchen wir ein in das ländliche Leben Ecuadors: Wir sehen Menschen auf dem Feld arbeiten, im Fluss badende Kinder, treffen auf Kühe und Schafe und versinken in der atemberaubend schönen, wilden, grünen Landschaft aus Schluchten, langgestreckten Bergrücken, spitzen Felszacken und schmalen, kurvigen Wegen.

Startpunkt der etwa 4-6-stündigen Tour ist das Dorf Isinlivi, welches auf 2910 Metern Höhe liegt. Hier haben wir die vergangene Nacht im absolut zu empfehlenden Hostal Llulu Llama verbracht, um am Morgen gegen 9 Uhr unseren Guide Oswaldo zu treffen, der uns gemeinsam mit seinem Pferd Corina am Hostal abholt. Zum ersten Mal auf einer unserer Reisen wandern wir mit einem Packpferd, denn die braune Stute wird für die Tour unser Gepäck übernehmen. Das macht eine Wanderung auf 3000 Metern direkt viel angenehmer 😉

Von Isinlivi führt der Trail, der übrigens regelmäßig mit rot/gelben Schildern markiert ist, zunächst steil bergab. Wir überqueren eine Brücke und folgen dann für etwa zwei Kilometer einer Schotterstraße. Hier passieren wir schon bald Oswaldos Grundstück auf dem ein kleines, blaues Haus steht. Schon von Weitem winkt er seiner Frau zu, die uns freudig entgegen gelaufen kommt, um uns zu begrüßen. Oswaldo und seine Frau sprechen nur Quechua, die Sprache der Indigenen, und Spanisch.
Während wir weiter laufen erzählt uns Oswaldo, dass die anderen Bewohner dieser Gegend ihn als Weltbürger bezeichnen und sehr stolz auf ihn sind, weil er tatsächlich der einzige in den umliegenden Dörfern ist, der durch seine Guide-Tätigkeit Kontakt zur Außenwelt hat. Die Menschen hier leben ein sehr zurückgezogenes Leben, ohne Autos, Internet oder andere moderne Technik. Oswaldo berichtet weiter, dass seine Mitbürger dadurch sehr uninformiert seien und bei Wahlen z.B. überhaupt keine Vorstellung hätten, für wen und weshalb sie ihr Kreuzchen machten. Ich bin erstaunt, dass es so etwas in einem entwickelten Land wie Ecuador im 21. Jahrhundert tatsächlich noch gibt.

Während Daniel im intensiven Gespräch mit Oswaldo vertieft ist, bestaune ich die umliegende Landschaft aus Bergen, Wäldern und Feldern in den unterschiedlichsten Grün- und Brauntönen, ein blühendes, wildes Hügelmeer in allen Richtungen.
Nach etwa 4 Kilometern erreichen wir einen „Mirador“ (span. Aussichtspunkt) von dem aus wir auf einen Fluss in eine tiefe Schlucht bis zu einer winzigen Hängebrücke hinunter blicken. Dort wollen wir hin, bevor es auf der andern Seite wieder steil hinauf geht. Mir schwant: Diese Wanderung wird doch noch anstrengender, als ich dachte! Wir schießen ein paar Erinnerungsfotos, und Corina bekommt eine kurze Fresspause, bevor es durch hüfthohes Gras und staubige Wege weiter geht.

651 Höhenmeter im Aufstieg und 397 Höhenmeter im Abstieg haben wir insgesamt zu überwinden. Der niedrigste Punkt der Wanderung, die vor uns liegende Schlucht, liegt auf 2640 Metern Höhe, der höchste Punkt, unser Zielort Chugchilán, auf 3197 Metern. Zum Glück sind wir inzwischen gut akklimatisiert, trinken stets viel Wasser und überziehen das Lauftempo nicht. Drei wichtige Aspekte für das Wandern in großen Höhen!
Nach dem Passieren der Suspension Bridge über den Rio Toachi erreichen wir das Dörfchen Itualo, eine kleine Ansammlung von Häusern, unter denen auch eine Kirche und ein Kiosk zu finden sind. Zeit für eine Rast, bei der wir die vom Hostal vorbereiteten Lunchpakete mit Käsebroten, Obst, Keksen, Chips und Bonbons verzehren. Getränke kaufen wir am Kiosk, so verdienen die Dorfbewohner auch eine Kleinigkeit an den vorbeiwandernden Reisenden. Schon bald kommen ein paar Kinder angelaufen und bitten uns um die Kekse und Süßigkeiten, die wir ihnen gerne überlassen.

Nach der Mittagspause geht es steil bergauf, der anstrengendste Teil des Treks steht uns bevor! Hier ist der Weg eher eine ausgewaschene Dreck-Rinne, und Corina und ich haben im Gegensatz zu den beiden Männern zu kämpfen. Stück für Stück kraxle ich fluchend von Serpentine zu Serpentine. An solchen Stellen merke ich immer wieder: Ich gehöre eben doch ins Flachland – Akklimatisierung hin oder her!
Oben angekommen muss ich mich erst einmal ein paar Minuten von der Anstrengung erholen. Dann begegnen uns die nächsten Kinder, die wieder mit aufgehaltenen Händen nach Keksen und Süßigkeiten fragen. Oswaldo erzählt uns, dass die Menschen hier so arm sind, seit die Regierung im Jahr 2001 den US-Dollar als offizielle Währung in Ecuador eingeführt hat. Früher konnte man von umgerechnet einem Dollar einen ganzen Wocheneinkauf bezahlen, heute reiche ein Dollar gerade mal für vier Laibe Brot. Ich krame in meinem Rucksack nach einer angebrochenen Kekspackung, und die Kinder greifen danach und laufen begeistert kreischend davon. Wieder einmal wird mir bewusst, in welchem Überfluss ich und die meisten Kinder unserer westlichen Welt aufwachsen!
Der restliche noch vor uns liegende Abschnitt der Strecke ist dann zum Glück relativ flach, die letzten 1,5 Kilometer laufen wir sogar auf einer Asphaltstraße, die Corina so gar nicht gefällt. Die Zivilisation hat uns wieder, und nach etwa 20 Minuten erreichen wir unser Ziel Chugchilán. Vor der Unterkunft „Mama Hilda“ verabschieden wir uns von Oswaldo, der nun den ganzen Weg auf Corina zurück reiten wird. Uns erwartet hingegen eine, zwar kalte, Dusche und die Hängematte!

Wissenswertes:
→ Reisezeitraum? 4.-6. August 2019
→ Anreise? Wir haben uns von einem privaten Fahrer in etwa zwei Stunden durch absolut spektakuläre Landschaft vom Nationalpark Cotopaxi nach Isinlivi bringen lassen, Kostenpunkt ca. US$ 80. Ein Taxi von Quito braucht etwa 3 Stunden und kostet US$ 100-120. Wer mit dem Bus anreisen möchte, fährt von Quito nach Latacunga. Dort gibt es zwei Mal täglich eine Busverbindung nach Isinlivi.
→ Unterkünfte? In Isinlivi haben wir die Nacht im Hostal Llulu Llama verbracht, einer etwas speziellen Ökolodge mit Hippie-Flair, in der vor allem junge Backpacker absteigen. Beim Frühstück und Abendessen sitzen alle Gäste gemeinsam an großen Tischen, es gibt kein Wlan, dafür kostenlose Yogastunden und einen kleinen Whirlpool. Daniel war das ein bisschen zu viel Skihütten-Atmosphäre. Unser großes Garden Cottage abseits des Haupthauses war allerdings super gemütlich mit Balkon, Hängematte, Kamin und Holzfußboden. Etwas gewöhnungsbedürftig die Trockentoilette mit Sägespänen! In Chugchilán haben wir im Mama Hilda gewohnt. Das Hostal besteht aus mehreren kleinen Gebäuden in einem üppig bewachsenen Garten, in dem sich sogar Kolibris blicken lassen. Zimmer und Essen sind okay.

→ Weitere Etappen? Gut 200 Kilometer umfasst das Netz aus Wanderwegen in der andinen Bergwelt rund um die Quilotoa Lagune. Wie lange man auf dem Quilotoa-Loop wandern möchte, bestimmen also die persönliche Fitness und das Zeitbudget. Eine beliebte dreitägige Route, von der wir die obige eine Etappe gelaufen sind, verläuft von Sigchos über Isinlivi (11km) und Chugchilán (12,5km), nach Quilotoa (13km). Pro Etappe solltet ihr inkl. Pausen etwa 5-7 Stunden einkalkulieren.
→ Alleine oder mit Guide wandern? Die von uns absolvierte Etappe ist kein Problem für geübte Wanderer. Der Weg von Isinlivi nach Chugchilán ist, wie oben beschrieben, ganz gut beschildert und im Hostal Llulu Llama erhält man nicht nur eine ausführliche Wegbeschreibung, sondern findet auch sehr leicht Wegbegleiter, wenn man nicht alleine laufen möchte. Doch mit unserem Guide war diese Strecke eben nicht nur eine Wanderung durch schöne Landschaft, sondern ein echtes Eintauchen in den Lebensraum der Menschen hier. Er hat uns so viele interessante, für uns neue Dinge erzählt. Wer also Spanisch spricht, sollte diese Möglichkeit unbedingt nutzen! Mal abgesehen vom Luxus, sein Gepäck von einem Pferd tragen zu lassen 😉 Oswaldo und Corina könnt ihr übrigens direkt über das Hostal Llulu Llama buchen (Kosten: US$ 30).
→ Reisetipp Vulkankrater-Lagune-Quilotoa: Das absolute Highlight des Quilotoa-Loops ist natürlich seine namensgebende Lagune, eine der beeindruckendsten in Ecuador. Diesen auf knapp 4000 Metern Höhe liegenden, mit Wasser gefüllten Vulkankrater besuchen wir mit einem privaten Fahrer am nächsten Tag.

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