Wie du längst weißt, sind wir große Freunde verlassener, vergessener, aufgegebener Orte, sogenannter Lost Places. Auf dem Balkan und dort vor allem im ehemaligen Jugoslawien gibt es tausende davon: Hotelruinen, verlassene Wohnhäuser, heruntergekommene Diskotheken oder Bars sowie zahlreiche aufgegebene Fabrikgebäude und Industrieanlagen. Oft sind die Gebäude bereits so von Pflanzen überwuchert oder einsturzgefährdet, dass das Betreten lebensgefährlich bis unmöglich erscheint. Anders sah das bei einem Fabrikgebäude aus, das uns auf dem Fußweg vom Camp Zagreb in das Zentrum der kroatischen Hauptstadt am Rande der Hauptstraße Aleja Bologne ins Auge fällt, einer aufgegebenen Zementfabrik.

Nachdem wir über eine Schotterstraße auf der Rückseite der Fabrik einen Zugang zum Gebäude gefunden haben, erkunden wir wie immer an solchen Orten erst einmal die Umgebung des Gebäudes, machen ein paar Fotos und checken so die Lage: Ist die Fabrik tatsächlich verlassen oder arbeitet hier noch jemand? Ist die Statik der Fabrikhalle intakt oder besteht die Gefahr, von herabstürzenden Gegenständen getroffen zu werden? Werden wir von jemandem Offiziellen beobachtet?

Die Luft scheint rein zu sein. Und während Daniel noch mit der Fassade der Zementfabrik beschäftigt ist, wage ich die ersten Schritte ins Innere des Werks. Feuchter, unangenehmer Geruch steigt mit in die Nase. Der Boden ist übersät von Müll, den Anwohner hier illegaler Weise abgeladen haben. Kleidung, Elektro-Schrott und sogar ein Autowrack gehört dazu. In gemauerten Becken steht eine tiefschwarze Flüssigkeit, die sehr ungesund aussieht. Mein Puls schlägt schneller vor Aufregung, denn noch immer, auch nach so vielen solcher Aktionen auf Reisen in den vergangenen Jahren, bleibt bei mir die latente Angst, doch von jemandem oder etwas überrascht zu werden.

Diese Sorge weicht jedoch meistens schnell der Begeisterung, und ich laufe weiter in den hinteren Teil der Fabrikhalle, in der vor allem Schutt zu finden ist. Zum Teil wirkt er wie von jemandem dort abgeladen. Einiges sieht aber auch danach aus als sei es von oben abgestürzt. Da Zagreb im März 2020 von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde, kann dies sehr gut sein. Aus Sorge vor herabstürzenden Baumaterialien vermeide ich es dann auch, den überwucherten Innenhof genauer zu entdecken.

Stattdessen betrete ich eine Nebenhalle des Fabrikgebäudes in der das Sonnenlicht malerisch durch die zerbrochenen Glasscheiben fällt. Efeu rankt sich nicht nur außen um die kaputten Fenster, sondern wächst auch längst im inneren der Halle über Schutt und zurückgelassene Gegenstände. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich die Natur nach und nach verlassene Gebäude zurückerobert.

Nachdem wir im Inneren der Zementfabrik alles Interessante abgelichtet haben, begeben wir uns zurück ans Tageslicht in die wärmende Sonne und setzen unseren Fußweg in die Stadt fort. Was für ein großartiger Lost Place!

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